“Was mache ich eigentlich an Silvester?” Mit der Frage beschäftigen sich manche schon Mitte September, ich hingegen frage mich das schon Anfang August.
Eigentlich ist Silvester ja nur ein Abend, eine Feier und ein Datum. Für mich bedeutet der Jahreswechsel viel mehr. Ein neues Kapitel in meinem Lebensbuch, ein möglicher Neuanfang. Darüber hinaus bin ich unglaublich abergläubisch. Bräuche und Traditionen sind für mich ein jährliches Muss. Ein Silvester ohne Bleigießen und Co kenne ich nicht. Für dieses Jahr habe ich etwas ganz Besonderes vor. Denn ich verbringe Silvester nur mit meinem Freund. Um unsere kleine Party etwas interessanter und emotionaler zu gestalten, möchte ich dieses Jahr nicht nur Bleigießen. Ich möchte die lustigsten und schrägsten Silvestertraditionen weltweit austesten. Natürlich versprechen alle Glück, Geld und Liebe. Mal ganz ehrlich, wenn wir schon die Chance auf doppeltes Glück und Liebe fürs nächste Jahr haben, wieso sollten wir diese dann nicht verdreifachen oder versiebenfachen?
Es ist Silvesterabend. Mein Freund und ich stehen vor dem Küchentisch. Ich komplett euphorisch, er mehr oder weniger verwirrt. Vor uns liegen Trauben, japanische Mochis und ganz viele Klarna Rechnungen, die mein Leben das vergangene Jahr zur Hölle gemacht haben. Mit den lästigen Rechnungen möchte ich zuerst anfangen. Wie in Argentinien. Dort schreddern sie ihre alten Unterlagen und werfen sie danach aus dem Fenster. Mein Nachbar wird sich freuen! Der ganze Brauch soll dabei helfen, alte Lasten vom letzten Jahr nicht ins neue Jahr mitzunehmen, perfekt für mich. Nachdem ich die geschredderten Unterlagen aus dem Fenster geworfen habe, fühle ich mich schon total befreit! Zwischenzeitlich sieht man meinem Freund an, dass er sich nicht mehr so sicher ist mit wem er da zusammen ist, aber Hand aufs Herz, ich hab noch nichtmal richtig angefangen.
Die nächste Tradition findet draußen statt. In Ecuador nennt man sie auch “los anos viejos“. Man verbrennt Fotos oder Puppen, um die Vergangenheit hinter sich zu lassen. Das Land schließt das Jahr ab, indem schlechte Erinnerungen verbrannt werden. 2017 war die populärste Figur zum Verbrennen übrigens Donald Trump.
Also stehen wir jetzt draußen vor meiner Feuerschale und verbrennen Fotos von schlechten Freunden und schlechten Erinnerungen – so befreiend! Ich kann das nur jedem von euch ans Herz legen.
Nach ein paar Weingläsern bin ich bereit für etwas Verrücktes. In Schottland hofft man, dass kurz nach Mitternacht ein großer junger Mann mit einer Flasche Whisky, einem Rosinenbrot und einem Stück schwarzer Kohle vor der Tür steht. Wer ihn dann ins Haus bittet, soll Glück für das gesamte nächste Jahr haben. Es ist zwar noch nicht Mitternacht, trotzdem muss ich nicht hoffen, ich weiß, dass gleich jemand vor der Tür steht. Weil ich aber fürchte, dass sich der ursprüngliche schottische Glücksbringer nicht selbst über den Ärmelkanal wagt, stelle ich meinen Freund vor die Tür. Beim Öffnen der Türe ist mein Freund leider nicht mal halb so amüsiert wie ich, trotzdem lässt er auch diesen Brauch über sich ergehen. Was macht man nicht schon alles für seine Freundin?
Kurz vor 12, jetzt darf mein Freund entscheiden, ob wir für unser Glück Mochis schlucken, ohne zu kauen oder Trauben gegen die Zeit um die Wette essen. Er entscheidet sich für letzteres, denn in Japan kommt es bei diesem Brauch oft zu tragischen Unfällen und es soll sogar schon Tote gegeben haben.
Das Essen der Trauben hört sich harmlos an. Jedoch muss bei jedem der letzten zwölf Glockenschläge eine Traube in den Mund und die müssen alle bis Mitternacht im Mund bleiben – fällt eine raus, bringt das im nächsten Jahr Unglück.
Doch auch die letzte Tradition für das Jahr meistern wir. Um Punkt Zwölf werfen wir dann Reis statt Böllern in die Luft. Der Umwelt zuliebe und weil es in Italien Glück bringt ;). Aber mal abgesehen davon, dass mein Freund und ich jetzt bestimmt vom Glück überrannt werden, habe ich eins gelernt.
Es ist nicht wichtig, was für Silvestertraditionen man ausprobiert, wichtig ist nur mit wem!
Euer Desmondo-Team